?>
Darf
man beim Poetry-Slam nur ›Poetry‹ – also Poesie – vortragen?
Prinzipiell ist ein Poetry-Slam offen für alle Textformen. Beim Slam hört
man Geschichten, Poesie, Rap, Liebesgedichte, Agitation, ernsthafte Lyrik und
Comedy. Letztere ist in der Szene allerdings umstritten, weil das Publikum banale
Gags oft mit mehr Punkten bedenkt als tiefenwirksame Lyrik.Die ursprüngliche
Idee des Poetry-Slams ist es allerdings, eine Plattform für Performance-Poesie
zu bieten, womit auch poetische Prosatexte gemeint sind. Viele Slam-Master und
auch Marc Kelly Smith – der Erfinder des Poetry-Slams – setzen sich
in ihren Büchern, CDs, DVDs und Veranstaltungen dafür ein, dass die
Performance-Poesie beim Slam weiterhin im Zentrum steht.
Sind
Slam-Texte improvisiert?
Live auf der Bühne improvisierte Texte sind beim Poetry-Slam willkommen,
stellen aber eher die Ausnahme dar. Gelegentlich betreten Freestyler (Stegreifdichter)
die Slam-Bühne und bereichern den Abend durch ihre Kunst.Die Chance des
Freestyles liegt in der unmittelbaren Einbeziehung vorangegangener Beiträge,
aktueller Geschehnisse und des Publikums. Professionelle Freestyler wie Telhaim
(Hanau), Tobias Borke (Stuttgart) und der Slammer Tobias Kunze (Hannover) verstehen
es, das Publikum mit Texten im »Hier und Jetzt« zu faszinieren.
Der Nachteil bei Freestyle-Performances kann darin liegen, dass ungeübte
Freestyler die Aufmerksamkeit ihres Publikums möglicherweise mit unüberlegten
Reimen überstrapazieren.
Woher
kommt die Inspiration?
Die meisten Themen für Slam-Texte sind dem Alltag entnommen. Sie sind aus
dem Leben gegriffen und nehmen dann eine unerwartete Wendung. Weil die Ideen
selten auf Kommando, meistens aber unerwartet kommen,lohnt es sich, immer ein
Notizbuch, Diktiergerät oder eine Kamera dabeizuhaben.Durch Notizen, Fotos
oder Aufzeichnungen kann man sich einen Fundus an Textideen anlegen. Sie bilden
die Grundlage, auf der ein Text entstehen kann. »Die erste Idee zu einem
Text bekommt man immer geschenkt. Den Text selbst muss man sich dann erarbeiten«,
so der Slam-Poet Dalibor Markovic.
Was
macht einen guten Slam-Text aus?
Jeder Zuhörer und jede Zuhörerin hat natürlich eigene subjektive
Qualitätskriterien.Dennoch lassen sich allgemeingültige Kriterien
eines guten Slam-Textes benennen: Die drei Komponenten Idee, Text und Show sollten
sich zu einem Gesamtgefüge verbinden, sind also unmittelbar miteinander
verwoben. Slam-Poetinnen und -Poeten überraschen oft dadurch, dass sie
alltägliche Themen aus einer neuen – ungewöhnlichen –
Perspektive betrachten.Passend zum Thema und zur persönlichen Vorliebe
sollte eine Textform gefunden werden, die konsequent verfolgt oder aber bewusst
aufgebrochen werden kann. Schon beim Verfassen des Textes sollte man auf Dynamik,Rhythmik
und Eingängigkeit achten. Diese Qualitäten kommen später beim
Vortrag zur Geltung.
Sollte
ich meine Texte beim Poetry-Slam auswendig vortragen?
Gelungene Poetry-Slams sind wie Konzerte, bloß ohne Musik. Selten sieht
man Sänger von Pop-Bands mit einem Textblatt auf der Bühne. Ähnlich
ist es auch beim Slam. Für eine bestmögliche Performance ist es hilfreich,
seine Texte zu ›verinnerlichen‹. Das hat wenig mit erzwungenem Auswendiglernen
von klassischer Lyrik zu tun. Eher ist es wie bei Lieblingsbands, deren Texte
man ganz selbstverständlich mitsingen kann. Eigene Texte prägen sich
leichter im Kopf ein als fremde Texte. Reim, Rhythmus und Wiederholung können
dabei gute Memorierungshilfen sein.Die Wirkung des gekonnten freien Vortrags
auf das Publikum ist verblüffend.Anstatt auf das Blatt Papier zu blicken,
kann der Autor bzw. die Autorin das Publikum anschauen. So fühlen sich
die Zuschauerinnen und Zuschauer direkt angesprochen und der Funke springt über.
Nach
welchen Kriterien werden beim Poetry-Slam die Punkte vergeben?
Beim Poetry-Slam spielt das Publikum eine wichtige Rolle. Durch Applausabstimmung
oder vertreten durch eine anfangs gewählte Jury verteilt es Punkte von
1 bis 10. Ein Anspruch auf objektive Qualitätsbeurteilung besteht dabei
nicht. Der US-amerikanische Slam-Poet Taylor Mali hat folgende Beobachtung gemacht:
»Jurys vergeben oft mehr Punkte für eine brillante Performance bei
mittelmäßigem Text als andersherum.«
Wie
lange schreibt man an einem Slam-Text?
Hier eine etwas ungewöhnliche Rechnung: Jede Slammerin und jeder Slammer
sollte bedenken, dass die Aufmerksamkeit des Publikums ein wertvolles Gut ist.
Das Publikum bezahlt Eintritt, opfert seine Zeit und kann deshalb auch berechtigterweise
Qualität erwarten. Wenn dir 300 Zuschauer fünf Minuten lang zuhören,
dann ergibt das zusammengerechnet25 Stunden kostbarer Lebenszeit.Wenn du also
25 Stunden in die Arbeit an dem Text und an der Performance investierst, wäre
das ein verhältnismäßig angemessener Aufwand. Das mag nach viel
Zeit klingen für einen 5-minütigen Auftritt, doch der Aufwand lohnt
sich. Schließlich können gute Texte – ähnlich wie Hit-Singles
in Rotation– bei verschiedenen Poetry-Slams auf die Bühne gebracht
werden.
Kann
ich beim Slam auch Texte von Goethe oder meiner besten Freundin vortragen?
Zum Glück nicht! Ganz allgemein sollten beim Poetry-Slam nur selbstverfasste
Werke dargeboten werden. Slam ist kein Karaoke, wo es darum geht,eine Performance
so gut wie möglich nachzuahmen. Nur eigene Gedanken in eigenen Worten können
ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit beim Publikum erreichen. Wichtig
sind Authentizität und der direkte Ideenaustausch zwischen Poeten bzw.
Poetinnen und Publikum. Die Slammerinnen und Slammer kommen schließlich
selbst aus dem Publikum – man feiert die Party gemeinsam. Slammer sind
Originale, die ihre eigenen Welten erschaffen und – bei Bedarf–
wieder zerstören.
Wofür
steht »Respect the poets!«?
Der Ausruf »Respect the poets!« wird im Nuyorican Poets Cafe verwendet,
um das Publikum daran zu erinnern, dass jede Poetin und jeder Poet, der die
Bühne betritt, Respekt und Aufmerksamkeit verdient hat. Schließlich
gehört eine Menge Mut dazu, sich vor 250 Zuschauern auf die Bühne
zu wagen und ein Gedicht vorzutragen. Um ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit
für jeden Slammer und jede Slammerin zu garantieren, gibt es zum Beispiel
im NewYorker Bowery Poetry Club die ›shut up‹ rule, nach der Zwischenrufe
erst von der zweiten Minute des Auftrittes an erlaubt sind. Auch die Slammerinnen
und Slammer sollten vom Publikum Respekt für sich einfordern. Wenn es im
Publikum zu laut ist oder jeder mit seinem Handy beschäftigt ist, sollten
sie auf der Bühne in Ruhe warten, bis das Publikum aufmerksam ist. Mit
einer dynamischen, spannenden und überraschenden Performance verschafft
man sich den Respekt Publikums meist ganz automatisch.
Kann
man vom Poetry-Slam leben?
Ähnlich wie beim Sport gibt es beim Poetry-Slam regionale, nationale und
internationale Austragungen. Regionale Slams bieten eine gute Möglichkeit,
neue Texte zu erproben, Freunde zu treffen und Bühnenerfahrung zu sammeln.
Der ›Lohn‹ für die Teilnahme sind oft Getränkebons für
den Abend oder, wenn man eingeladen wurde, Fahrtkosten, ein Bett und eine warme
Mahlzeit. Viel wichtiger als Geld ist in dieser Szene der Reichtum an Ideen
und Freundschaften.Die überregionalen Slams und Festivals zahlen aber erfahrungsgemäß
auch Gagen. Bei professionellen Slammern sind die Auftrittshonorare vergleichbar
mit denen von DJs oder Musikern.